Ausstellung

Mechanische Poesien

Anna Haber, Korinna Lindinger, Julia Rosenberger, Karla Spiluttini

03. 04. - 10. 05. 2014

Eröffnung: MIttwoch, 02. April, 19:00 Uhr
Einführung: Roman Gerold

Sie machen was sie wollen. Die selbstbewegten Objekte von Anna Haber, Korinna Lindinger, Julia Rosenberger und Karla Spiluttini sind eigensinnig und widerwillig. Die Künstlerinnen nehmen Bewegung als künstlerisches Material und Elektronik als kreatives Handwerkszeug.
Spielerisch und erfindungsreich schrauben sie aus Motoren, Federn, kleinen Gelenken und elektronischen Bauteilen poetische Maschinen, die Geschichten über Individualität, Räume, Beziehungen und das irritierende Eigenleben von Mythen und Alltäglichem erzählen.

„Jedes kinetische Kunstwerk ist wie ein lebendiges Wesen zu verstehen“, meinte der belgische Künstler Pol Bury (1922 – 2005). Das war nicht immer naheliegend in der rund 100-jährigen Geschichte der kinetischen Kunst, also jener Strömung, in der das essentielle ästhetische Mittel die Bewegung ist. Die mechanischen Arrangements des Schweizers Jean Tinguely bezogen sich auf monströse, lärmende Industriemaschinen, die er gerade als Widerpart des Menschlichen und Lebendigen verstand. Bei den Automotoren, deren Inneres Thomas Bayrle 2012 für die Documenta 13 freigelegt hat, wird man sich trotz ihres „Sounds“ schwertun, sie als Lebewesen zu betrachten.
Die Exponate der Schau Mechanische Poesien machen einem das hingegen leicht: Maschinell-bedrohliche Bewegungsabläufe sind ihnen fremd. Zudem bestehen sie vorwiegend aus organischen Formen. In einem postindustriellen Zeitalter schließen Anna Haber, Korinna Lindinger, Karla Spiluttini und Julia Rosenberger an reduziertere und leisere Traditionen der kinetischen Kunst an: Formationen erscheint wie eine Referenz auf die fragilen, luftbewegten Mobiles von Alexander Calder (1898 – 1976); das Federvieh lässt an die Arbeiten der deutschen Bildhauerin Rebecca Horn (geboren 1944) denken, die ihre Maschinen häufig mit Federn bestückte, um der kalten Technik lyrische Momente abzuringen.
Rebecca Horn ist aber auch ein Bezugspunkt für die Installation unrund: Die Künstlerin begrüßte die Verwundbarkeit und Fehlbarkeit ihrer Apparaturen. Sie besäßen durchaus „menschliche Eigenschaften“ und seien damit ungeeignet für die industrielle Verwertung. Diesen sozialkritischen Ansatz greift Korinna Lindinger auf, wenn sie in unrund mit der Logik der Optimierung bricht: Ihre Porzellangebilde sind unperfekt, haben allerdings nur deshalb ihren je eigenen tänzerischen Charakter. Während sie schwerfällig durch den Raum purzeln, können sie durchaus auch kaputtgehen. Die haustierartigen Wesen sind weit entfernt davon, souverän wie die formvollendeten Kugeln des deutschen Künstlers Jeppe Hein durch den White Cube zu führen oder diesen gar mit gezielten Schlägen zu demolieren. Die liebenswert-patscherten Tierchen haben genug mit sich selbst zu tun.
Man könnte bisweilen auch meinen, die Porzellan-Haustiere hätten mehr Angst vor dem Betrachter als dieser vor ihnen. Das wäre allerdings Projektion, denn Interaktion ist in der Schau Mechanische Poesien nicht angelegt. Die ausgestellten Objekte führen ein anarchisches Eigenleben. Ihre „Beseelung“ beruht auf Zufallsgeneratoren und vorgegebenen Skripten, wobei ihre „Handlungen“ ohne Anfang und Ende sind. Es werden keine Geschichten erzählt oder Szenen abgespult. Kausalität und Narration weisen im kinetischen Kleintierzoo von Haber, Lindinger, Spiluttini und Rosenberger lediglich auf den Betrachter zurück.
Roman Gerold, Musiker und freier Journalist, Wien 2014